Mehr Demokratie wagen

In der Sitzung der Stadtvertretung vom 2.4.19 ging es nicht nur hoch her, sondern auch immer wieder hin und her: Unter dem Tagesordnungspunkt 7. wurde der Antrag der FDP behandelt, welcher eine Änderung in der Protokollierung des Abstimmungsverhaltens vorsieht. Die bisherige Regelung sieht in der Stadtvertretung und in deren Ausschüssen bisher nur eine einfache Form der Protokollierung bei Abstimmungen vor, in dem lediglich die Stimmenverhältnisse nach Ja, Nein und Enthaltung vermerkt werden und somit den Stimmberechtigten später nicht mehr zugeordnet werden können.

 

Der Antrag der FDP-Fraktion sieht jetzt für die Zukunft eine Protokollierung der Abstimmungsergebnisse nach den stimmberechtigten Fraktionen vor, auch bei einem unterschiedlichen Stimmenverhalten innerhalb einer Fraktion.

„Durch die Änderung wird nicht nur für mehr Transparenz gesorgt, sondern die Norderstedter Bürgerinnen und Bürgern können auch die getroffenen Entscheidungen den Parteien zuordnen. Damit soll das Interesse an unserer kommunalen Politik und an deren Geschehnissen gesteigert werden. Ein erster Schritt hin zu den Menschen, die es letztendlich betrifft, was in Norderstedt entschieden wird. Denn schließlich haben die Bürgerinnen und Bürger uns bei der letzten Kommunalwahl mit einer extrem geringen Wahlbeteiligung von 32,7% deutlich gezeigt, wie weit entfernt von den Bürgern wir Politiker in dieser Stadt agieren“, betont Christian Görtz, Fraktionsmitglied der FDP und Initiator dieses Antrages.

 

Die anschließenden Wortmeldungen durch die Fraktionsvorsitzenden der anderen Parteien fielen überraschend gemischt und in der Sache mit unterschiedlichen Sichtweisen sehr bunt aus. Die Bandbreite erstreckte sich über einen Ergänzungsantrag zum Antrag der FDP mit dem Vorschlag von ständig durchzuführenden „namentlichen Abstimmungen“, einer Variante, die vor einer Abstimmung schon heute beantragt und durchgeführt werden kann, bis hin zur grundsätzlichen Ablehnung eines solchen Vorhabens. Die Antragsergänzung für eine ständige namentliche Abstimmung fand letztendlich keine Mehrheit. Tobias Mährlein, Fraktionsvorsitzender der FDP, griff diesen Ansatz jedoch auf und beantragte die namentliche Abstimmung für diesen Antrag. „Schließlich wird ja auch diese Abstimmung noch nach dem alten Protokollverfahren festgehalten und somit ist noch nicht transparent für unsere Norderstedter Bürger, wer da jetzt wie entschieden hat“, begründete Tobias Mährlein dieses Vorgehen.

 

Mit 21 Ja-Stimmen wurde dieser Antrag der FDP-Fraktion schließlich mehrheitlich beschlossen. Und durch die namentliche Abstimmung lässt sich jetzt für jeden in der Niederschrift dieser Sitzung nachvollziehen, wer konkret wie abgestimmt hat.

 

Damit ist der Weg dieses Antrages nach dem Willen von Frau Oberbürgermeisterin Roeder jedoch noch nicht beendet. Aufgrund eines möglichen formalen inhaltlichen Fehlers in diesem Antrag kündigte Frau OB Roeder nach der Abstimmung an, diesen Beschluss zur Überprüfung der Richtigkeit an die Kommunalaufsicht weiterzuleiten und deren Auffassung für einen möglichen Widerspruch abzuwarten.

 

Hintergrund dieses überraschenden Manövers nach der erfolgreichen Abstimmung von Frau OB Roeder ist die Ausformulierung des benannten Personenkreises in diesem Antrag. So ist im Antrag von den „Fraktionen“ die Rede, nicht aber von den Stadtvertretern wie aktuell von Herrn Thedens von den Freien Wählern, der als einziger Vertreter seiner Partei in der Stadtvertretung keine Fraktion gründen kann. Aber auch andere Stimmberechtigte in den Ausschüssen, wie z.B. im Jugendhilfeausschuss, seien nicht berücksichtigt, da diese ebenfalls keiner Fraktion zuzuordnen sind.

 

„Ich teile nicht nur das Entsetzen und das Unverständnis meines Parteikollegen Tobias Mährlein. Ich bin zutiefst erschüttert über das Verhalten der Verwaltung und die sichtliche Freude unserer Oberbürgermeisterin, die anscheinend im Vorwege das Wissen über diese vermeintliche unklare Formulierung des wirkenden Personenkreises in diesem Antrag, zu welchem Nutzen auch immer, bis nach der Abstimmung für sich behalten hat“, schüttelt Sven Wojtkowiak, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, verständnislos seinen Kopf.

 

„Die Verwaltung ist angehalten das Ehrenamt zu unterstützen. Besonders ist bei der Antragsstellung auf formelle und inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen und ggf. mit den Antragstellern Rücksprache zu halten. Diese Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung hat auch bis heute vertrauensvoll Bestand gehabt. Der Antrag lag der Verwaltung seit dem 18.03.19 vor. Was oder wer hat nun dieses vermutlich untersagt und uns im Unklaren gelassen? Auf was für kommende Torpedierungen müssen sich die Parteien seitens der Verwaltung und ihrer Chefin zukünftig gefasst machen?“, sinniert Wojtkowiak betroffen.